htw saar-Knowhow für Notre Dame de Paris
Die 850 Jahre alte gotische Kathedrale wurde im April 2019 von einem Feuer derart verwüstet, dass man sie verloren glaubte. Zwischenzeitlich sind zahlreiche Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Ingenieurwesen, Architektur und Denkmalschutz, das Baugewerbe und nicht zuletzt die Hochschulen an einem Wiederaufbau-Prozess, der seinesgleichen sucht, beteiligt. Mit dabei die Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar) mit Klaus-Dieter Köehler, emeritierter Bauingenieurprofessor, seine Nachfolgerin Professorin Gudrun Djouahra und die Studierenden Nathali Braun und Tim Friedrich, vermutlich die einzigen Beteiligten aus Deutschland, zumindest was den Holzbau angeht. Innerhalb der groß angelegten Vereinigung „Restaurons Notre-Dame“ wollen sie den möglichst originalgetreuen Wiederaufbau der Kathedrale mit Fokus auf den Dachstuhl unterstützen.
Das Saarbrücker Engagement geht auf die Initiative von Professor Köehler zurück. Sein Spezialgebiet Hochbaukonstruktion und Tragwerksentwurf und seine Frankophilie haben Hochschulkontakte in der Großregion begünstigt, unter anderem mit der „École Nationale Supérieure d’Architecture“ (ENSA) in Nancy und der „École Nationale Supérieure des Technologies et Industries du Bois“ (ENSTIB) in Épinal, mit der er eine Workshop-Kooperation aufbaute. Beide Hochschulen sind Institutionen von nationalem Rang und Hauptpfeiler der Wissenschafts- und Technik-Kommission von „Restaurons Notre Dame“.
Professorin Djouahra, unter anderem spezialisiert auf Bauphysik und ebenfalls frankophil, übernahm das französische Netzwerk, das mit einem Master-Projekt Holzbaukonstruktion für 50 Studierende an der Restaurierung beteiligt ist. Nathali Braun widmet sich als angehende Bauingenieurin vor allem dem Klimamonitoring, ein Thema, das sie bereits an der Saarbrücker Schlosskirche erprobte, wo sie die Hygrothermik, sprich die Korrelation zwischen Innen- und Außenklima für eine optimierte Klimasteuerung der Orgel untersuchte. „Das fiel mir leicht“, sagt sie im Rückblick. In ihrer Masterarbeit mit dem Titel „Die hygrothermische Simulation des Dachstuhls von Notre-Dame von Paris“ untersucht sie die Reaktion des Holzes auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit und wie sinnvoll eine moderne Dämmung wäre. „Ein Projekt für die Ewigkeit“, sagt Gudrun Djouahra. Idealerweise sollte der nach historischem Vorbild, aber mit neuen Materialien und heutigen Techniken wieder aufgebaute Dachstuhl der Kathedrale noch länger halten als sein vom Feuer zerstörter Vorgänger. Tim Friedrich untersucht in seiner Masterarbeit „Parametrische Untersuchung von Lasteinwirkung auf das Holztragwerk der Notre-Dame“ die Belastungen, die der Dachstuhl durch Windlast aushalten muss.
Obwohl simulierte Szenarien zum Studium gehören, erlebten die beiden Studierenden das Notre-Dame-Projekt als besondere Herausforderung. Nicht so sehr weil es sich um ein Bauprojekt von Weltrang handelt, „Man hat Respekt“, sagen beide, sondern vielmehr wegen der mehr oder weniger „spekulativen“ und „virtuellen“ Arbeitsweise bis zum Abgabetermin ihrer Masterarbeiten am 1. Februar 2021. Die Corona-Pandemie erlaubte ihnen weder die Baustelle auf der Île de la Cité noch Pariser Archive und Bibliotheken zu besuchen, auch der geplante universitäre Workshop mit französischen Studierenden und Lehrkräften entfiel. Stattdessen mussten sich Nathali Braun und Tim Friedrich mit aufwendig recherchierten Daten, Fotos und Dokumenten begnügen. Dementsprechend weit weg und etwas „irreal“ erscheint ihnen ihre Rolle im Notre-Dame-Projekt. Die Professoren, die ihre Masterarbeiten betreuen, sehen es optimistischer, wenn sie von einer Saarbrücker „Hilfestellungen für die Pariser Projektplaner“ sprechen.
Geht es nach Staatspräsident Emmanuel Macron, soll die Restaurierung von Notre-Dame, deren Bau 200 Jahre in Anspruch nahm, in fünf Jahren abgeschlossen sein.